Wir werden abtrünnig – Der Blick in den Abgrund

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Die bisherigen Artikel haben sich natürlich zeitlich nicht so schön hintereinander abgespielt, wie sie hier erscheinen. Vielmehr hatten wir ständig gleichzeitig Kontakt mit mehreren Herstellern und sind mal hierhin, mal dorthin zu Terminen gefahren. Nach der unheimlichen Begegnung mit dem „Unbekannten Nr. 1“ haben wir uns außerdem auch nach fertigen Häusern auf den einschlägigen Internetportalen umgesehen. Alles in allem ist dort die Lage allerdings eher ernüchternd. Da wir ja auf dem Land leben und auch gedenken, dort zu bleiben, stehen hier vor allem Bauwerke ..ähem… älteren Datums zum Verkauf. Trotzdem sind die Preise durchaus … ähem… ambitioniert. Um es anders auszudrücken: Wir haben einen Haufen Bruchbuden gefunden, deren Besitzer anscheinend ziemlich dreist versuchen, aus Sch**ße Gold zu machen.

Trotzdem haben wir für ein Haus hier im Dorf einen Besichtigungstermin vereinbart.

Die Eckdaten:

Massiv gebautes Haus aus den 60er Jahren, Keller-, Erd-, Ober- und Dachgeschoss, insgesamt 390m², das Haus ist eine ehemalige Gaststätte und war danach mehrfach als Seminarcenter vermietet, steht zur Zeit leer und der ganze Spaß soll 175.000 EUR kosten.

Der spontan geborene Plan:

Wir selber wohnen im Ober- und Dachgeschoss auf ca. 170m², Erd- und Kellergeschoss werden nach unserem Einzug renoviert und dann entweder als Einlieger- oder als Ferienwohnung hergerichtet und vermietet.

Das Vorspiel:

Andrea hat am frühen Vormittag der Immobilienmaklerin telefonisch eine Nachricht hinterlassen. Als wir am nächsten Morgen immernoch keine Antwort erhalten hatten, haben wir uns hier im Dorf erkundigt und die Besitzerin ausfindig gemacht. Ein Telefonat später hatten wir dann auch sofort einen Besichtigungstermin… Bis die Maklerin etwa eine Stunde später doch noch anrief. Das nachfolgende Gespräch war eher unhöflicher Natur, lief aber letztlich auf folgende Aussagen hinaus:

Sie habe

„wichtige Termine und könnte halt nicht ständig telefonieren.“

Und von einer Terminabsprache ohne sie sei sie gar nicht begeistert.

Ich war hingegen der Meinung, das ich für über 10.000 EUR Provision durchaus einen Rückruf binnen 24h erwarten konnte, desweiteren habe ich gelgentlich auch zu tun und wer sich nicht meldet ist selber Schuld. Im Übrigen hätte man das Gespräch auch mit einer kurzen Entschuldigung beginnen können, anstatt mit den zwei Fragen, wie wir uns denn die Nutzung des Objekts vorstellen und ob wir es uns überhaupt leisten können.

Nachdem wir also unsere gegenseitige Sympathie festgestellt hatten, teilte mir die gute Dame mit, ich hätte keinen Besichtigungstermin mit der Besitzerin, dafür könne ich aber gern einen mit ihr vereinbaren. Also gut, machen wir denselben Termin nochmal. Immerhin zeigte sie ja vollen Einsatz im Angesicht des drohenden Verlustes ihrer Provision…

Die Besichtigung:

Was kann man zu dieser Besichtigung sagen? Eigentlich nur „Ach Du Sch**ße…“, das war nämlich unser gemeinsamer Gedanke, während Andrea und ich in dem Haus waren.

Wohin das Auge schaute, nichts war in irgendeiner Art und Weise ordentlich zu Ende gemacht worden. Jede Renovierung war durch kreatives Anbringen von Holzverblendungen an allen möglichen und unmöglichen Stellen durchgeführt worden. Die Fenster stammten aus den verschiedensten Bauepochen nach 1960. Die Badezimmer waren im unrenovierten Charme der 60er Jahre gearbeitet – Bis auf das Bad im Erdgeschoss, das direkt vom ehemaligen Schankraum abging und das irgendwann vor ein paar Jahren völlig lieblos zu einem behindertengerechten Bad umgebaut worden war.

Das halbe Haus stand noch mit Möbeln, Tinnef und Kram aus diversen Nutzungsepochen voll, irgendjemand war mal auf die glorreiche Idee gekommen, mehr schlecht als recht eine EDV-Verkabelung in riesigen Kabelkanälen in jeden Raum zu führen.

Der absolute Tiefpunkt war der ebenfalls völlig verbastelte Keller, der zudem noch auf der Hangseite pitschnass war, wo man irgendwann offensichtlich einfach Fensteröffnungen zubetoniert hatte, ohne sich vernünftig um Abdichtung und Dämmung zu kümmern.

Beim Anblick der uralten Saunakabine mit dem verrosteten Ofen mit dem dementsprechenden Geruch nach irgendwelchen Aufguss-Zusätzen musste Andrea sich schnell verabschieden und mal kurz frische Luft schnappen.

Als sie dann danach im Erdgeschoss unter den ausgelegten Teppichen noch große Löcher im Boden und einen Blutfleck vorfand, war für uns endgültig der Drops gelutscht.

Wir führten noch ein kurzes Gespräch mit der Maklerin, in dem sie uns mitteilte, sie kenne da

„einen Kroaten, der das alles für einen guten Preis fertig macht und in drei Monaten können sie einziehen!“

Wir lehnten das Angebot, einen Termin mit ihm zu vereinbaren höflich ab und machten uns in der Hoffnung auf den Heimweg, keine ansteckenden Krankheiten eingefangen zu haben.

Ein guter Freund, der uns bei der Besichtigung begleitet hatte, fasste es sehr passend zusammen:

„Im Grunde genommen kannste nur alles rausreißen und neu machen. Dann ist der Kasten allerdings auch maximal den Rohbaupreis wert.“

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